zum Inhalt springen

Autumn School zu „Sozialer Gerechtigkeit“ in Doha

 

Bericht über die Autumn School zu „Sozialer Gerechtigkeit“ in Doha (Katar) vom 1-9. November 2014

In der ersten Novemberwoche hat die Universität zu Köln zusammen mit der Arab University of Beirut und der Faculty of Islamic Studies in Doha mit Förderung des DAAD zu einem einwöchigen Autumn School-Projekt zum Thema „Social Justice“ in Doha, der Hauptstadt von Katar, eingeladen. Die Bewerbung erfolgte nach Ausschreibung auf Plakaten und auf der Seite des Orientalischen Instituts mit einer E-Mail und einem Motivationsschreiben in englischer Sprache. Nach der Zusage erfolgten dann zwei Vorbereitungstreffen für die TeilnehmerInnen der Universität zu Köln, bei denen wir über Katar und das Programm vor Ort informiert wurden.  

Nach einem sanften Flug in das Emirat, das an der Ostküste der arabischen Halbinsel am Persischen Golf liegt, landeten viele der TeilnehmerInnen gemeinsam in Doha. Nach der ersten Nacht im Hotel nutzten wir den Tag, um die Stadt näher zu erkunden. Viele von uns begaben sich zur berühmten Corniche, einer Bucht die um Doha herum gebaut wurde, und später am Abend dann auf den ebenfalls bekannten Souq Waqif, um erste Eindrücke vom Leben in Doha und der interessanten Architektur zu bekommen. 

Neben diesen architektonisch-kulturellen Eindrücken sammelten wir natürlich zahlreiche Eindrücke auf der Autumn School selbst. Am zweiten Tag wurden wir, die etwa 12 TeilnehmerInnen der Universität zu Köln, gemeinsam mit unseren libanesischen Partnern vom Hotel zur Qatar Faculty of Islamic Studies (QFIS) gebracht, wo wir in den Workshop „Struggling for Social Justice: Concepts, Networks and Agencies from a cross-cultural perspective“ mit einer Grundsatzrede von Dr. Hatem El-Karanshawy, dem Dekan/Vorstand der QFIS, eingeführt wurden; Dr. Hatem El-Karanshawy vermittelte uns sehr gute erste Einblicke über individuelle, gesellschaftliche und religiöse Perzeptionen von sozialer Gerechtigkeit. Er machte unter anderem deutlich, dass ein wesentliches Ziel islamischen Denkens die Herstellung von Gerechtigkeit (‘adl, ‘adâla) auf Erden und durch das Jüngste Gericht sei, die aber nicht unbedingt bedeute, absolute Gleichstellung zwischen allen Menschen herzustellen, da Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit gesehen werden. Es komme aus islamischer Perspektive eher darauf an, die Gleichwertigkeit aller zu betonen. Nach seinem Vortrag ging es über zum Kennenlernen unserer Partnerstudenten und -studentinnen aus Katar und dem Libanon. 

Obwohl aus dem Libanon nur eine Partnerstudentin einreisen konnte, weil die anderen 11 LibanesInnen vom katarischen Staat kein Visum erhielten, haben wir uns in einer bunten Gruppe von Studierenden wiedergefunden, die sich alle sehr auf die kommenden Tage und Vorträge freuten. Diese multikulturelle Gruppe, die u. a. aus deutschen, malaysischen, katarischen, libanesischen und vielen weiteren Teilnehmern bestand, brachte viele verschiedene und interessante Perspektiven zum Workshop und den Diskussionen ein.  Unser erster Autumn School-Tag stand ganz im Zeichen des interkulturellen Trainings geleitet von Dr. Nayla Tabbara, einer renommierten Dozentin, die u. a. Mitbegründerin der libanesischen Organisation ADYAN Foundation ist. Die ADYAN Foundation ist eine Organisation für interreligiöse Studien, die verschiedene kulturelle, soziale und bildungswissenschaftliche Programme anbietet. Zweck dieses interkulturellen Trainings war, dass wir aufeinander zugingen und uns sowie unsere individuellen Perspektiven und Auffassungen besser verstehen konnten. So waren die Meinungen aller TeilnehmerInnen zur Todesstrafe und ihrer Legitimierung sehr verschieden und zeigten, wie unterschiedlich jede/r Einzelne/r zu diesem Thema ganz persönlich stand. 

Wir setzten uns mit den individuellen Perzeptionen von sozialer Gerechtigkeit auseinander und lernten in den intensiven Diskussionen viel voneinander. Trotz sehr unterschiedlicher Meinungen war dieser Austausch intensiv, lehrreich und er zeigte, dass man auch ohne die Übereinstimmung aller TeilnehmerInnen aufeinander zugehen kann. So wie das gesamte einladende  Arbeitsklima in der QFIS und der Umgang der TeilnehmerInnen unter- und miteinander waren auch die Debatten – es war schön, sich offen und respektvoll auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Auch bei den Organisatoren und in der Fakultät merkte man einen regelrechten Enthusiasmus für die Ausrichtung der Autumn School, und man wurde nicht nur kulinarisch, sondern auch intellektuell verwöhnt.  

In den darauffolgenden Tagen lernten wir viel Neues zum Thema dieses Projekts und setzten uns kritisch mit Texten auseinander, die sich mit verschiedenen Aspekten sozialer Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit befassten. Aufgeteilt in gemischten Gruppen stellten die TeilnehmerInnen unterschiedliche Fallstudien vor, sodass wir die neuen Erkenntnisse mitgeben und mitnehmen konnten. Mit Kritik an den ausbeuterischen Lebensverhältnissen der fast eine Million Gastarbeiter, die sich u. a. aufgrund des sogenannten Kafala-Systems in teilweise extrem menschenfeindlichen Strukturen befinden, hielten wir uns zurück, da wir unsere Gastgeber nicht in Schwierigkeiten bringen wollten. Trotzdem kamen Ungerechtigkeiten im Alltag des Landes, und in vergleichender Sichtweise in anderen Ländern immer wieder zur Sprache, wenn auch in Zwischentönen. In diesem Kontext muss natürlich auch betont werden, dass Katar in eine globalisierte Weltwirtschaft eingebunden ist, und somit auch deutsche, europäische und Akteure anderer Weltreligionen von den Ausbeutungsstrukturen in Katar und anderen Golfstaaten profitieren und diese dadurch stützen.   

 

Die Vorträge von Dr. Samer El-Karanshawy, dem Assistenzprofessor der QFIS und Mitorganisator des Workshops, sowie von Dr. Sabine Damir-Geilsdorf zum Leitthema der Autumn School waren sehr spannend; die Leitung und Koordination der verschiedenen Gruppen und ihrer Ergebnisse durch Dr. Stephan Milich und Dr. Omar Houri, Rechtsanwalt und Dozierender an der Beirut Arab University, waren sehr hilfreich. 

Auch außerhalb der Wände der QFIS hatten wir die Gelegenheit Neues zu entdecken und unseren Horizont zu erweitern. Wir besuchten die zwei bekanntesten und gleichzeitig sehr ungleichen Museen von Doha, nämlich das Museum of Modern Art und das Museum of Islamic Art. Es war uns jedoch auch möglich, an unseren freien Nachmittagen bzw. Tagen, unser eigenes Programm zu gestalten und die Tages- oder Abendplanung selbst in die Hände zu nehmen. So konnten wir an den Folgetagen während den Busfahrten unsere eigenen und unterschiedlichen Erfahrungen austauschen, die wir immer auf Fotos festgehalten haben. 

Abschließend kamen alle TeilnehmerInnen des Workshops zu einem gemeinsamen Abendessen zusammen, sodass wir sogar an diesem letzten Abend unsere Partnerstudenten und -studentinnen noch einmal besser kennenlernen konnten. Unser Aufenthalt in Doha kam damit zu einem schönen und gemütlichen Ende, das unsere ganze Reise abgerundet hat. Dank beeindruckender DozentenInnen mit verschiedenen Erfahrungen und Schwerpunkten konnten wir uns nicht nur akademisch weiterbilden und entwickeln sondern auch aus den zwischenmenschlichen Erfahrungen der vergangenen Tage lernen. Zwar befassten wir uns alle mit verschiedenen Studien zum Thema Social Justice, gelernt haben wir aber insbesondere von- und miteinander.